Art tasten Rücken von Patienten mit ISG-Blockade ab
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Therapie, Übungen & Schlafpositionen

ISG-Blockade: Rückenschmerzen durch das Iliosakralgelenk

Von: Miriam Müller (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 29.03.2022

Schmerzen im unteren Rücken können vom Iliosakralgelenk, kurz ISG, ausgehen. Das Gelenk verbindet das Kreuzbein der Wirbelsäule mit dem Becken. Falsche Bewegungen, zum Beispiel beim Heben einer schweren Last, können eine schmerzhafte ISG-Blockade verursachen. Wie lässt sich ein ISG-Syndrom behandeln?

Was ist eine ISG-Blockade?

Das Iliosakralgelenk liegt zwischen Kreuz- und Darmbein und wird deshalb auch als Kreuz-Darmbein-Gelenk bezeichnet. Es handelt sich um ein wenig bewegliches Gelenk, das durch Muskeln und Bänder gehalten wird. Das Iliosakralgelenk hat die wichtige Funktion, Gewichte und Kräfte vom Oberkörper auf die Beine zu übertragen – und umgekehrt. Somit fungiert es als eine Art Stoßdämpfer, der verhindert, dass Aufprallkräfte bei körperlichen Aktivitäten die Wirbelsäule erreichen.

Infolge von Überbelastung oder falschen Bewegungen können die Gelenkflächen jedoch verkanten oder sich verschieben. Das Gelenk blockiert und wird in seiner Beweglichkeit weiter eingeschränkt, was zu starken Schmerzen im unteren Rücken führt. Darüber hinaus können die umgebenden Muskeln verhärten und auf Nerven drücken, was weitere ausstrahlende Schmerzen oder Empfindungsstörungen nach sich ziehen kann. Fachleute sprechen von einer ISG-Blockade oder einem ISG-Syndrom.

Häufigkeit des ISG-Syndroms

Etwa 70 Prozent der Deutschen erkranken einmal im Leben an einem ISG-Syndrom, vor allem Sportler*innen sind häufig betroffen. Ein höheres Risiko haben zudem Schwangere und Menschen mit chronischen Gelenkerkrankungen wie Morbus Bechterew. 

Symptome: Wie macht sich ein ISG-Syndrom bemerkbar?

Ein ISG-Syndrom äußert sich vor allem durch Schmerzen im unteren Rücken, kurz oberhalb des Gesäßes. Die Schmerzen können auf beiden Seiten oder auch nur einseitig auftreten und bis zu den Knien ausstrahlen. Typischerweise nehmen die Schmerzen zu, wenn sich Betroffene nach vorne beugen oder die Beine im Sitzen übereinanderschlagen. Zudem sind Bewegungseinschränkung im Lendenwirbelbereich möglich.

Die häufigsten Symptome eines ISG-Syndroms auf einen Blick:

  • ziehende Schmerzen im unteren Rücken, im Bereich des Gesäßes, Kreuzbeins und im unteren Bauchraum
  • Schmerzen bei längerem Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung
  • Kribbeln in den unteren Extremitäten
  • Zunahme der Schmerzen bei Bewegungen (zum Beispiel bei Anheben des Beines)
  • eingeschränkte Beweglichkeit im Hüftbereich

Die Beschwerden können sehr vielfältig sein und sind meist nur schwer von anderen Erkrankungen wie einem Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall abzugrenzen.

Ursachen einer ISG-Blockade

Ursachen eines ISG-Syndroms sind oft Fehlbelastungen und Fehlstellungen der Beine und Wirbelsäule. Mögliche Auslöser sind beispielsweise:

  • ein Tritt ins Leere (zum Beispiel beim Übersehen einer Treppenstufe)
  • Verletzungen durch einen Unfall oder Sturz (zum Beispiel beim Sport)
  • Heben schwerer Lasten
  • Fehlhaltungen, beispielsweise durch unterschiedlich lange Beine

Darüber hinaus können Erkrankungen, die den Bewegungsapparat beeinträchtigen, die Wahrscheinlichkeit für eine ISG-Blockade erhöhen. Dazu zählen verschleißbedingte, degenerative Erkrankungen wie Arthrose oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen (zum Beispiel Morbus Bechterew). Bleibt die ISG-Blockade unbehandelt, können die Beschwerden chronisch werden.

ISG-Blockade in der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes Risiko für eine ISG-Blockade infolge hormoneller Veränderungen und der Gewichtszunahme. Die Bänder, die das Iliosakralgelenk halten, lockern sich und die Stabilität nimmt ab. Die Gelenkflächen des Iliosakralgelenks können sich dadurch leichter verschieben und blockieren.

In den meisten Fällen verringern sich die Schmerzen beim Iliosakralgelenk nach der Schwangerschaft, wenn sich die Bänder nach der Geburt wieder straffen. Spezielle Übungen im Rahmen von Rückbildungsmaßnahmen können die Heilung zudem unterstützen.

Wie kann ein ISG-Syndrom festgestellt werden?

Wichtigste Grundlage für die Diagnose eines ISG-Syndroms ist eine ausführliche Anamnese. Bei einem ärztlichen Gespräch werden Patient*innen nach ihren Beschwerden befragt, beispielsweise

  • wo diese genau lokalisiert sind,
  • ob es einen konkreten Auslöser wie einen Sturz gab und
  • ob sie sich bei bestimmten Bewegungen verschlimmern.

Anschließend folgt eine körperliche Untersuchung inklusive Funktions- und Provokationstests, für die sich der*die Patientin*in auf die Behandlungsliege begibt. Bei den Tests werden Beine und Hüfte von dem*der Arzt*Ärztin oder Physiotherapeut*in in verschiedene Positionen bewegt, um zu überprüfen, ob tatsächlich das Iliosakralgelenk und keine benachbarten Strukturen für die Beschwerden verantwortlich sind. Meist wird eine Kombination aus verschiedenen Tests (zum Beispiel Thigh Thrust, Gaenslen-Test, Distraktion) durchgeführt, da kein Test allein die Diagnose sicher bestätigen kann.

Zum Ausschluss anderer Ursachen können zudem bildgebende Verfahren (Röntgen, Magnetresonanztomografie) oder eine Wirbelsäulenvermessung zum Einsatz kommen. Bei der Wirbelsäulenvermessung wird der Rücken mit einem Lichtraster vermessen. Dieses wird von einer Kamera aufgezeichnet. Eine spezielle Software erschafft ein räumliches Abbild des Rückens, das anschließend genauer analysiert werden kann. Das Diagnoseverfahren basiert auf moderner Licht- und Videotechnik und kommt ohne Strahlung aus, weshalb es auch für Kinder und Schwangere geeignet ist.

ISG-Syndrom: An wen wenden?

Bei Beschwerden, die auf eine ISG-Blockade hindeuten, können Sie sich zur Abklärung an folgende Stellen wenden:

  • Ärztin*Arzt für Allgemeinmedizin
  • Physiotherapeut*in
  • Fachärztin*Facharzt für Orthopädie
  • Fachärztin*Facharzt für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation

Therapie: Was hilft bei einer ISG-Blockade?

Die Behandlung eines ISG-Syndroms setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Zunächst müssen auslösende Faktoren identifiziert und nach Möglichkeit vermieden werden. Des Weiteren zielt die Therapie auf die Linderung akuter Schmerzen ab. Durch sanfte Bewegungen können Blockaden gelöst und die Muskulatur, die das ISG umgibt, gestärkt werden. Operationen sind nur selten notwendig. Chirurgische Eingriffe werden ausschließlich bei ausbleibendem Therapieerfolg und länger bestehenden Beschwerden am ISG erwogen.

Schonung des Iliosakralgelenks

Bei einer ISG-Blockade sollten Belastungen einige Tage reduziert und das Sporttraining pausiert werden. Auch Bewegungen, die die Schmerzen verstärken, wie Treppensteigen, sollten möglichst vermieden werden, damit Entzündungen abklingen können. Zur Bettruhe wird allerdings nicht geraten, Betroffene sollten weiterhin aktiv bleiben.

Schmerzlinderung

Um akute Schmerzen zu lindern, kann die*der Ärztin*Arzt Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac verschreiben. Bei starken Schmerzen sind zudem Injektionen mit betäubenden Medikamenten (Lokalanästhetika) oder schmerz- und entzündungshemmenden Wirkstoffen in den Bandapparat des Iliosakralgelenks oder direkt in den Gelenkspalt möglich. Auch Wärmeanwendungen können gegen die Schmerzen helfen. 

Mobilisation und Manipulation

Bei Beschwerden des Iliosakralgelenks empfiehlt sich zudem eine physiotherapeutische Behandlung, insbesondere eine manuelle Therapie. Bei diesem Behandlungsansatz wenden ausgebildete Ärzt*innen oder Physiotherapeut*innen spezielle Handgriff- und Mobilisationstechniken an. Um die Gelenkblockaden zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern, wird vorsichtiges Dehnen (Mobilisation) mit kurzen Impulsen der Krafteinwirkung (Manipulation) kombiniert. Werden die Gelenke wird eingerenkt, kann oftmals ein lautes Knacken wahrgenommen werden. 

Zudem können bei der Physiotherapie Kräftigungs- und Dehnungsübungen zum Stärken der Muskulatur und Stabilisieren des Beckens und des Rumpfes erlernt werden.

Hilfreiche Übungen bei einer ISG-Blockade

Diese Übungen können dabei helfen, den Bereich des ISG zu dehnen sowie zu mobilisieren und Blockaden zu lösen. Bei regelmäßiger Anwendung können Rückenschmerzen zudem vorgebeugt werden.

Übung zur Dehnung des Becken- und Lendenwirbelbereichs 

  1. Legen Sie sich für die Übung mit dem Rücken auf eine Yoga-Matte. Die Beine können Sie ausstrecken, die Arme legen Sie im rechten Winkel mit den Handflächen nach unten ab.

  2. Winkeln Sie nun das linke Bein an und stellen Sie es neben dem rechten Knie ab.

  3. Fassen Sie mit der rechten Hand ans linke Bein und ziehen Sie es seitlich nach rechts, in Richtung Matte. Rücken und Schultern sollten dabei nicht angehoben werden, sondern weiterhin die Matte berühren. 

  4. Bewegen Sie den Kopf in die Gegenrichtung nach links und halten Sie diese Position für etwa 30 Sekunden.

  5. Anschließend können Sie die Übung auf der anderen Seite wiederholen.

Übung zur Lockerung des Beckens

  1. Stellen Sie sich mit einem Bein auf die unterste Stufe einer Treppe, einen Stepper oder einen stabilen Hocker. Das Knie ist dabei leicht angewinkelt.

  2. Das andere Bein lassen Sie seitlich hängen und können es in der Luft hin- und herpendeln.

  3. Die Übung mit dem anderen Bein wiederholen.

Dackelübung

  1. Begeben Sie sich in den Vierfüßlerstand, die Hände befinden sich unter den Schultern, die Knie sind unter den Hüftgelenken.

  2. Heben Sie nun im Wechsel ein Bein seitlich an, bis das Knie auf derselben Höhe wie das Becken ist.

  3. Führen Sie diese Bewegungen abwechselnd auf beiden Seiten etwa 20-mal durch.

Vierfüßler-Krabbelübung

  1. Die Übung beginnt im Vierfüßlerstand.

  2. Heben Sie abwechselnd die Hände so weit vom Boden ab, dass ein Blatt Papier dazwischen passt.

  3. Jetzt bleiben die Hände auf dem Boden/der Matte. Heben Sie im Wechsel die Knie so weit vom Boden ab, dass ein Blatt Papier dazwischen passt.

  4. Jetzt heben Sie gleichzeitig Hand und Knie vom Boden – und zwar immer diagonal. Das bedeutet, die rechte Hand mit dem linken Knie, die linke Hand mit dem rechten Knie. Sie können vier Durchgänge mit jeweils 15 Wiederholungen machen.

Die richtige Schlafposition bei ISG-Blockade

Bei einem ISG-Syndrom fällt es Betroffenen aufgrund der Schmerzen oftmals schwer, eine angenehme Liegeposition zu finden. Aber welche Schlafposition eignet sich bei einem ISG-Syndrom am besten?

Grundsätzlich ist jede Schlafposition, die keine Schmerzen verursacht, erlaubt. Allerdings gelten einige Schlafhaltungen bei einer ISG-Blockade als bequemer oder sollen sogar dabei helfen, die Beschwerden zu lindern.

  • Rückenlage: Schlafen auf dem Rücken ist bei einem ISG-Syndrom die rückenfreundlichste Option, da die Schmerzen in dieser Position am geringsten sind und die Beine gut ausgestreckt werden können. Allerdings sollten nicht zu viele Kissen aufgetürmt, sondern eher ein flaches Kissen verwendet werden, um die Wirbelsäule in einer neutralen Position zu belassen.

  • Seitenlage: Auch diese Position kann rückenschonend sein, sofern die Wirbelsäule beim Schlafen gerade verläuft und die natürliche Doppel-S-Form erhalten bleibt. Spezielle Nackenstützkissen können dazu beitragen, dass der Hals nicht abknickt. Ein zusätzliches Kissen zwischen die Knie geklemmt, kann zudem einen Beckenschiefstand verhindern.

  • Bauchlage: Das Schlafen auf dem Bauch ist bei einer ISG-Blockade weniger geeignet, da ein Hohlkreuz gebildet werden kann und der Kopfbereich schnell überdehnt. Wer dennoch auf dem Bauch schläft, sollte auf eine passende Matratze achten. Ebenso kann es sich lohnen, ein Bauchschläferkissen anzuschaffen.

Verlauf und Prognose einer ISG-Blockade

Wie lange die Heilung eines ISG-Syndroms dauert, lässt sich pauschal nicht beantworten. Je nach Ursache können sich Beschwerden des Kreuz-Darmbein-Gelenks rasch wieder bessern, sie können aber auch hartnäckig und langwierig sein. Umso früher die Behandlung beginnt, desto eher kann jedoch ein möglicher Teufelskreis aus Schmerz, Schonhaltung, Überlastung und erneutem Schmerz durchbrochen werden. Besteht das ISG-Syndrom hingegen schon länger, ist es meist schwerer zu behandeln.

ISG-Blockade: Wie lange bin ich krank?

Die Dauer einer Krankschreibung richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden. Normalerweise sind Patient*innen mit akuter ISG-Blockade nach etwa einer Woche wieder arbeitsfähig. Sind die Schmerzen chronisch geworden, ist unter Umständen eine längere Krankschreibung nötig.

Wie lässt sich einer ISG-Blockade vorbeugen?

Der beste Schutz vor einer ISG-Blockade ist regelmäßige Bewegung. Vor allem rückenfreundliche Sportarten wie Rücken-Yoga, Pilates, Schwimmen oder Rückengymnastik eignen sich zur Vorbeugung. Ebenso ist eine kräftige Rücken-, Bauch- und Gesäßmuskulatur wichtig, damit das Iliosakralgelenk und die umliegenden Strukturen gut geschützt werden können. 

Um Beschwerden im unteren Rücken vorzubeugen, können Sie zudem folgende Tipps beachten:

  • Häufig wird eine ISG-Blockade durch falsches Heben ausgelöst, weshalb hier besondere Vorsicht geboten sein sollte. Beim Heben schwerer Gegenstände wie einer Getränkekiste sollte der Rücken möglichst gerade sein. Am besten geht man zunächst in die Hocke. Die Kraft für das Anheben sollte aus den Beinen kommen.

  • Langes Sitzen schadet dem Rücken. Wer nur im Sitzen arbeitet, sollte daher zwischendrin aufstehen. Dafür eignet sich ein höhenverstellbarer Schreibtisch. Zudem sollte jede Gelegenheit für etwas Bewegung genutzt werden. Beispielsweise eignet sich die Mittagspause für einen kurzen Spaziergang.

  • Starkes Übergewicht belastet Wirbelsäule und Gelenke. Um ein ISG-Syndrom und andere Rückenprobleme vorzubeugen, empfiehlt sich daher, auf ein gesundes Körpergewicht zu achten.