Beckenschiefstand: Was hilft bei einer schiefen Hüfte?
Ein Beckenschiefstand kann Schmerzen im Rücken verursachen und zu einer Skoliose der Wirbelsäule führen. Wie entsteht er, welche Übungen helfen und wann eine OP notwendig ist.
- Was ist ein Beckenschiefstand?
- Wie entsteht ein Beckenschiefstand?
- Welche Symptome verursacht ein Beckenschiefstand?
- Wie erkennt man einen Beckenschiefstand?
- Was tun bei Beckenschiefstand?
- Welche Übungen bei Beckenschiefstand?
- Wie kann man einen Beckenschiefstand korrigieren?
- Muss ein Beckenschiefstand operiert werden?
- Welche Folgen hat ein Beckenschiefstand?
- Wie kann man einem Beckenschiefstand vorbeugen?
Bei einem Beckenschiefstand steht ein Hüftgelenk etwas höher als das andere. Oft macht sich ein Beckenschiefstand gar nicht bemerkbar, aber er kann auch Beschwerden wie Nacken- und Rückenschmerzen auslösen. Langfristig kann es aufgrund der stärkeren Belastung von Wirbelsäule und Bandscheiben zu Folgeschäden kommen – daher ist es ratsam, der Fehlstellung frühzeitig entgegenzusteuern. Wie entsteht ein Beckenschiefstand und was kann man dagegen unternehmen?
Was ist ein Beckenschiefstand?
Das menschliche Becken besteht aus den zwei Hüftbeinen und dem Kreuzbein. Es bildet die Basis für die Wirbelsäule und ist an einem Großteil unserer Bewegungen beteiligt.
Experten schätzen, dass mehr als zwei Drittel der Menschen aus den westlichen Industrienationen von einem sogenannten Beckenschiefstand betroffen sind. Das bedeutet, dass ihr Becken sich im Stand nicht in einer waagerechten Position befindet.
Oft handelt es sich hierbei nur um einen geringen Schiefstand von wenigen Millimetern. Der menschliche Bewegungsapparat kann kleine Ungleichgewichte meist problemlos ausgleichen. Daher kommt es bei einem geringen Schiefstand in der Regel nicht zu Beschwerden und die Betroffenen wissen oft nicht einmal, dass ihr Becken minimal schiefsteht.
Erst wenn es sich um eine deutliche Fehlstellung von mehr als ein paar Millimetern handelt, entstehen Beschwerden und unter Umständen auch Folgeschäden.
Wie entsteht ein Beckenschiefstand?
Ganz allgemein unterscheidet man zwischen zwei Arten des Beckenschiefstands:
- Funktioneller Beckenschiefstand: Er entsteht durch Fehlhaltungen und -belastungen.
- Struktureller Beckenschiefstand: Hier liegen anatomische Ursachen zugrunde.
Wie entsteht ein funktioneller Beckenschiefstand?
Bewegungsmangel und einseitige Belastungen können einen funktionellen Beckenschiefstand auslösen. Wer viel am Schreibtisch oder im Auto sitzt und in der Freizeit nicht durch Sport für Ausgleich sorgt, lässt die Muskulatur verkümmern. Im Bereich der Hüfte und des unteren Rückens kommt es dann zu einem Ungleichgewicht, das wiederum zu einem Beckenschiefstand führen kann.
Dass eine Körperhälfte dominant ist, kennen wir von den Händen. Jeder Mensch hat ebenso ein bevorzugtes Standbein, welches kräftiger ist. Insofern ist es ganz normal, dass wir im Alltag eine Seite des Körpers etwas stärker beanspruchen als die andere. Ist die Differenz der Beanspruchung groß – sei es durch ungesunde Gewohnheiten oder beispielsweise das Tragen von schweren Taschen auf immer der gleichen Seite – spiegelt sich das in der Muskulatur wider.
Die stärker trainierten Muskeln auf der dominanten Seite üben einen kräftigeren Zug auf das Becken aus. Auf Dauer führt das dazu, dass das Becken seitlich gekippt wird und schiefsteht.
Ein funktioneller Beckenschiefstand ist also immer auf das eigene Verhalten zurückzuführen. Dadurch ist er einfacher zu beheben als der strukturelle Beckenschiefstand.
Woher kommt ein struktureller Beckenschiefstand?
Bei einem strukturellen Beckenschiefstand hat man es mit anatomisch bedingten Fehlstellungen zu tun. Er ist deutlich seltener als der funktionelle Schiefstand.
Eine große Rolle spielt hier eine mögliche Beinlängendifferenz, umgangssprachlich als „unterschiedlich lange Beine“, bezeichnet. Auch das ist eigentlich etwas Natürliches, kaum jemand ist symmetrisch und hat vollkommen gleich lange Beine.
Ab wann diese Differenz jedoch medizinisch relevant ist, hängt auch von der Körpergröße ab. Bei einem sehr großen Menschen machen ein paar Millimeter kaum einen Unterschied, bei einer besonders kleinen Person jedoch schon.
Auch Unfälle, Gelenkblockaden (etwa ein „verrenkter“ Rücken) und Prothesen können zur Entstehung eines Beckenschiefstands beitragen.
Eine Wirbelsäulenskoliose, also eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, und ein Beckenschiefstand können sich gegenseitig bedingen. Während eine Skoliose einen Beckenschiefstand verursachen kann, kann umgekehrt auch der Hüftschiefstand zu einer Skoliose führen.
Bei Kindern und Jugendlichen ist es gut möglich, dass sich ein eventueller Beckenschiefstand noch „auswächst“.
Welche Symptome verursacht ein Beckenschiefstand?
Der eigentliche Beckenschiefstand erzeugt in vielen Fällen keine Symptome und wird daher auch nicht immer erkannt. Ein deutlicher Schiefstand des Beckens kann aber zumindest langfristig Beschwerden verursachen.
Dazu gehören in erster Linie Schmerzen, die sich fast am gesamten Bewegungsapparat zeigen können, da das Becken eine zentrale Stelle im menschlichen Bewegungsablauf darstellt. Mögliche Symptome sind zum Beispiel:
- Rücken- und Nackenschmerzen
- Kopf-, Zahn- und Kieferschmerzen
- Gelenkschmerzen (Schulter, Hüfte, Knie, Sprunggelenk)
- Schmerzen im Oberschenkel
Wird der Beckenschiefstand nicht behandelt, verstärken sich die Beschwerden in der Regel noch.
Wie erkennt man einen Beckenschiefstand?
Ein Orthopäde kann einen Beckenschiefstand oft bereits bei einer kurzen Untersuchung erkennen. Ergänzend dazu können bildgebende Verfahren eingesetzt werden.
Neben Röntgenaufnahmen steht hierfür die 4D-Vermessung der Wirbelsäule zur Verfügung. Hierbei wird die Oberfläche des Rückens mithilfe des Computers durch ein Raster aus Lichtlinien vermessen. Bei diesem Verfahren gibt es keine Strahlenbelastung. Daher eignet es sich gut für regelmäßige Kontrollen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen.
Die privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten der Untersuchung. Gesetzlich Versicherte müssen sie jedoch in der Regel selbst zahlen. Sie kostet normalerweise zwischen hundert und hundertfünfzig Euro.
Was tun bei Beckenschiefstand?
Die Behandlung eines Beckenschiefstands ist abhängig von der Ursache. Bei Kindern und Jugendlichen muss nicht sofort eine Behandlung eingeleitet werden, vorausgesetzt, der Beckenschiefstand ist nicht zu stark.
Ein Großteil der Betroffenen hat einen funktionellen Beckenschiefstand. Hier empfehlen sich also physiotherapeutische Übungen, um die Fehlhaltungen und -belastungen auszugleichen und Muskelverspannungen zu lösen.
Welche Übungen bei Beckenschiefstand?
Gegen einen funktionellen Beckenschiefstand helfen Übungen, die die Muskulatur im Hüft- und unteren Rückenbereich kräftigen und dehnen. Die folgenden sechs Übungen sind bei einem Beckenschiefstand empfehlenswert:
Yoga-Position Taube: Diese Übung wird auf dem Boden sitzend ausgeführt. Ein Bein wird gerade nach hinten gestreckt, die Vorderseite und der Fußrücken liegen auf dem Boden auf. Das andere Bein wird nach vorne hin angewinkelt und vor dem Becken platziert, ähnlich wie bei einem Schneidersitz. Idealerweise liegt der Unterschenkel parallel zum Becken. Das erfordert jedoch oft ein wenig Übung. Um das Kniegelenk zu schützen, wird die Fußspitze des angewinkelten Beins nach oben Richtung Knie gezogen. Verstärken kann man die Wirkung, indem man sich mit dem Oberkörper nach vorn lehnt. Diese Position kann so lange gehalten werden, wie es angenehm ist. Anschließend wechselt man die Seiten.
Schustersitz: Er ist ähnlich wie der Schneidersitz, aber die Fußsohlen liegen aneinander. Man drückt die Füße mit den Handflächen zusammen und beugt den Oberkörper nach vorne.
Reverse Leg Raises: In der Bauchlage wird ein Bein nach hinten angehoben, für wenige Sekunden gehalten und wieder abgesenkt. Nach zehn bis fünfzehn Wiederholungen ist das andere Bein dran. Diese Übung kann auch abgewandelt und im Stehen ausgeführt werden.
Lateral Leg Lift: Diese Übung kann in Seitenlage oder im Stehen ausgeführt werden. Ähnlich wie bei den Reverse Leg Raises wird das Bein angehoben, diesmal jedoch zur Seite.
Lateral Lunge Stretch: Die Füße stehen mehr als hüftbreit parallel zueinander. Nun macht man eine einseitige Kniebeuge und senkt sich auf eine Seite ab. Das andere Bein wird seitlich weggestreckt, der Fuß berührt weiterhin den Boden. Diese Übung wird abwechselnd ausgeführt. Insgesamt empfehlen sich mindestens zehn Durchgänge.
Hip Lift: Für diese Übung begibt man sich in die Rückenlage. Die Beine werden angewinkelt, die Fußsohlen stehen auf dem Boden. Nun hebt man langsam das Becken, bis Schultern, Hüften und Knie eine Linie bilden. Diese Position wird einige Sekunden lang gehalten, danach senkt man das Becken langsam und kontrolliert ab. Auch hier empfehlen sich mindestens zehn Wiederholungen.
All diese Übungen eignen sich nicht nur zur Behandlung eines bereits bestehenden Beckenschiefstandes. Sie beugen auch der Entstehung eines solchen sowie anderen Haltungsschäden effektiv vor.
Dafür ist es wichtig, dass sie so oft wie möglich – am besten mindestens dreimal pro Woche – durchgeführt werden. Ein Physiotherapeut kann weitere Übungen empfehlen, die ganz individuelle Fehlhaltungen korrigieren und ausgleichen.
Wie kann man einen Beckenschiefstand korrigieren?
Wenn die Ursache für den Beckenschiefstand eine Beinlängendifferenz ist, empfehlen sich je nach Länge der Differenz folgende Maßnahmen:
- Eine Differenz bis zu einem Zentimeter lässt sich durch eine Ferseneinlage ausgleichen, die im Schuh getragen wird.
- Beträgt der Unterschied einen bis drei Zentimeter, ist eine Erhöhung des Absatzes oder des gesamten Schuhs auf der Seite des kürzeren Beins notwendig.
In beiden Fällen ist eine Nachkontrolle durch den Arzt erforderlich. Möglicherweise müssen die Einlagen angepasst oder korrigiert werden.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sich die Schmerzen mit den Einlagen zunächst verschlimmern. Der Bewegungsapparat ist ein dynamisches System und darauf ausgerichtet, eventuelle Unregelmäßigkeiten eigenständig auszugleichen. Daher wird eine Einlage oder Schuherhöhung vom Körper oft zunächst als Störung empfunden.
Liegt dem Beckenschiefstand eine Blockade zugrunde, lässt sich diese gut durch Osteopathie und Einrenken behandeln. Einige gesetzliche Krankenkassen bezuschussen osteopathische Behandlungen, wenn der Arzt sie verschreibt.
Muss ein Beckenschiefstand operiert werden?
Eine Operation ist zur Behebung des eigentlichen Beckenschiefstands keinesfalls sinnvoll. Allerdings ist es möglich, dass Folgeschäden durch einen unbehandelten Beckenschiefstand, zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, einen operativen Eingriff notwendig machen.
Liegt dem Beckenschiefstand eine Differenz der Beinlängen zugrunde, kann ebenfalls eine OP notwendig sein. Sie ist allerdings nur angezeigt, wenn der Unterschied der Beine mehr als drei Zentimeter beträgt und andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben.
Manche Betroffene entscheiden sich auch für eine solche Operation, weil sie aus ästhetischen Gründen keine Sohlenerhöhung wünschen. Eine Operation sollte jedoch immer die letzte Option sein, da sie zu langfristigen Einschränkungen führen kann und immer mit Risiken einhergeht.
Es ist möglich, sowohl das kürzere Bein zu verlängern, als auch das längere Bein zu verkürzen. Welche Methode geeignet ist, wird im Einzelfall in Absprache mit dem behandelnden Arzt entschieden.
Welche Folgen hat ein Beckenschiefstand?
Ein deutlicher Beckenschiefstand bedeutet immer eine Mehrbelastung für den Bewegungsapparat. Die Wirbelsäule und die Bandscheiben werden stärker gefordert. Dadurch steigt das Risiko für eine Skoliose und Bandscheibenvorfälle.
Auch auf die Gelenke kann ein Beckenschiefstand negative Auswirkungen haben. Das Arthroserisiko in den Gelenken, die durch den Schiefstand vermehrt belastet werden (zum Beispiel die Knie), steigt deshalb an.
Wie kann man einem Beckenschiefstand vorbeugen?
Ein struktureller Beckenschiefstand wird nicht durch den Lebensstil beeinflusst. Hier ist eine Prophylaxe daher kaum möglich.
Ein funktioneller Beckenschiefstand hingegen ist oftmals die Folge ungünstiger Lebensgewohnheiten und kann deshalb durchaus durch vorbeugende Maßnahmen verhindert werden. Neben gezielten Übungen, die das Becken und den unteren Rücken dehnen und kräftigen, empfiehlt sich generell ein aktiver Lebensstil.
Ein abwechslungsreiches Ausdauer- und Krafttraining stärkt den gesamten Bewegungsapparat und beugt Haltungsschäden vor. Bei bereits bestehenden Erkrankungen, auch nicht-orthopädischer Natur, sollte vor Beginn des Trainings ein Arztgespräch stattfinden.
Wer wenig Zeit für Sport hat, kann auch auf anderen Wegen mehr Bewegung in den Alltag bringen. Statt des Aufzugs die Treppe zu benutzen und so viele Wege wie möglich zu Fuß zurückzulegen, ist bereits sehr hilfreich.
Mit Entspannung und Bewegung vorbeugen
Um Muskelverspannungen vorzubeugen, ist Entspannung wichtig. Ideal sind Entspannungsmethoden wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Autogenes Training. Alternativ bieten sich auch Yoga, Pilates oder Meditation an.
Langes Sitzen im Auto oder am Schreibtisch sollte immer mit aktiven Pausen einhergehen, in denen die Muskulatur gedehnt und bewegt wird.
Einseitige Belastungen sind zu vermeiden. Wer häufig schwere Taschen oder andere Gegenstände trägt, sollte nach Möglichkeit immer wieder die Seiten wechseln, auch wenn es sich anfangs seltsam anfühlt und schwieriger von der Hand geht. Ideal ist, die Lasten auf beide Seiten gleichmäßig zu verteilen. Mit diesen einfachen Maßnahmen lässt sich einem funktionellen Beckenschiefstand oftmals effektiv vorbeugen.