Rückenmuskulatur: So ist sie aufgebaut
Die Anatomie der Rückenmuskulatur ist sehr komplex – schließlich ist eine Vielzahl unterschiedlicher Muskeln erforderlich, um uns aufrecht zu halten, zu gehen, etwas zu heben, uns zu drehen und all die anderen Bewegungen im Alltag auszuführen. Die Rückenmuskeln lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Diese Einteilung der Muskeln erfolgt sowohl beim Mann als auch bei der Frau nach ihrer Lage, ihrem Ursprung oder ihrer Funktion. Welche Rückenmuskeln gibt es und welche Funktion haben sie?
Anatomie der Rückenmuskulatur
Anatomisch bezeichnet man die hintere Seite des Rumpfes vom Nacken bis zur Spitze des Steißbeines als Rücken (Dorsum). Seine Muskulatur lässt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten einteilen, wie etwa
- der embryonalen Entwicklung
- der Versorgung mit Nerven für Gefühl und Bewegung (Innervation)
- der Lage im Körper, zum Beispiel oberflächliche und tiefe Muskulatur
Die wichtigste Einteilung entspricht der embryonalen Entwicklung und erfolgt in die zwei Kategorien „autochthone Rückenmuskulatur“ und „nicht-autochthone Rückenmuskulatur“.
Autochthone Rückenmuskulatur: die tiefen Muskeln
Als autochthone (griechisch: „einheimisch“, „hier entstanden“) Rückenmuskulatur – oder auch primäre oder ortsständige Rückenmuskulatur – bezeichnet man eine große Muskelgruppe des Rückens, die embryonal an dieser Stelle entstanden ist. Das bedeutet, dass diese Muskeln im Embryo schon in einer sehr frühen Entwicklungsstufe dort positioniert waren und seitdem ihre Position nicht verändert haben. Sie liegen tief im Körper und werden vom hinteren Ast der Rückenmarksnerven versorgt.
Doch welche Muskeln gehören zur autochthonen Rückenmuskulatur? Diese Muskelgruppe kann man ihrerseits wieder in drei Gruppen einteilen:
- die autochthonen kurzen Nackenmuskeln
- den mittleren Anteil
- den seitlichen Anteil
Die autochthone Rückenmuskulatur gilt als wichtigster Teil des aktiven Bewegungsapparats. Entgegen vielen Behauptungen ist es sehr schwer bis unmöglich, sie einzeln oder gezielt zu trainieren.
Das liegt zum einen daran, dass es sich bei diesem Teil der Muskulatur nicht um einzelne große Muskeln, sondern um sehr viele kleine handelt, die nur in ihrer Gesamtheit eine Bewegung oder Funktion ermöglichen. Zum anderen liegen die autochthonen Rückenmuskeln so tief im Körper, dass ihre Funktionen sehr eng an oberflächlich gelegene Muskeln gekoppelt sind. Nichtdestotrotz ist es möglich und empfehlenswert, die autochthone zusammen mit der nicht-autochthonen Muskulatur durch ein entsprechendes Rückentraining zu stärken.
Autochthone kurze Nackenmuskulatur
Zur Muskelgruppe der autochthonen kurzen Nackenmuskulatur zählen vier Muskelpaare, die die Aufgaben haben, den Kopf zu drehen und den Kopf nach oben zu strecken. Als Nackenmuskeln sind sie oft Ursprung von Spannungskopfschmerz und sind zudem häufig Grund für Verspannungen.
Autochthone mittlere Rückenmuskulatur
Zu diesem System, welches auch „medialer Trakt“ genannt wird, zählen eigentlich sehr viele Muskeln. Sie verlaufen jeweils zwischen den einzelnen Wirbelkörpern und sind dafür zuständig, die Wirbelsäule zu rotieren sowie nach vorne oder hinten zu strecken. Des Weiteren sind diese Bestandteile der tiefen Rückenmuskulatur sehr wichtig für die Stabilisation der Wirbelsäule.
Autochthone seitliche Rückenmuskulatur
Der seitliche oder auch laterale Trakt umfasst eine noch größere Anzahl an Muskeln, die sehr viele verschiedene Ansatzpunkte und Verläufe aufweisen. Einfach gesagt sind dies die tiefsten Rückenmuskeln, die vom Nacken, den Querfortsätzen der Wirbelkörper, den mittleren Anteilen der Wirbel, der Lendenwirbelsäule bis hin zum Becken verlaufen. Da viele verschiedene Muskeln in dieser Gruppe zusammengefasst sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie diverse Aufgaben übernehmen. Sie ermöglichen die Drehung und Streckung der Wirbelsäule in alle Richtungen sowie die Stabilisation des Rückens.
Nicht-autochthone Rückenmuskulatur: Oberflächliche Muskeln
Die nicht-autochthone oder eingewanderte Rückenmuskulatur (auch: allochthone Rückenmuskulatur) ist der Definition nach nicht „vor Ort“ entstanden. Im Embryo entstand sie ursprünglich an einer anderen Stelle und wanderte erst im Laufe seiner Entwicklung im Mutterleib in die Position, an der sie sich beim erwachsenen Menschen befindet.
Sie wird vom vorderen Ast des Rückenmarksnerven versorgt und liegt oberflächlich im Rücken. Auch sie lässt sich in drei Gruppen einteilen:
- die nicht-autochthonen kurzen Nackenmuskeln
- die spinocostalen Muskeln (Muskeln, die von der Wirbelsäule zu den Rippen ziehen)
- die Muskeln der Schulter und des Schultergürtels
Nicht-autochthone kurze Nackenmuskulatur
Genauso wie ihr autochthones Gegenstück sorgen diese zwei Muskelpaare dafür, dass der Kopf rotiert und nach oben durchgestreckt werden kann. Auch sie stehen häufig in Verbindung mit Verspannungen oder Spannungskopfschmerzen.
Spinocostale Muskeln
Zu den spinocostalen Muskeln zählen der vordere und hintere Sägezahnmuskel (Musculus serratus anterior et posterior), die ihren Namen ihrer Form verdanken. Diese kommt dadurch zustande, dass sie an den Dornfortsätzen der Wirbelkörper entspringen, unter dem Schulterblatt verlaufen und an der zweiten bis zwölften Rippe ansetzen. Es entsteht der Eindruck von vielen einzelnen Muskeln, die jedoch tatsächlich ein einziger sind – mit einer Sägezahnform im Gesamtbild.
Die Funktion des oberen und unteren Sägezahnmuskels (als Teile des hinteren Sägezahnmuskels) ist es, den Körper zur Seite zu strecken, wenn diese Muskeln nur an einer Körperhälfte angespannt werden. Werden die Muskelgruppen beidseits angespannt, strecken sie den Körper nach hinten. Außerdem helfen sie durch den Zug an den Rippen beim Einatmen.
Muskeln der Schulter und des Schultergürtels
Zu dieser Gruppe zählen sehr viele verschiedene Muskeln, die allesamt die Bewegung und Stabilisation des Rückens sowie des Schulterblatts zur Aufgabe haben. Sie liegen, wie alle nicht-autochthonen Muskeln, meist oberflächlicher als die autochthonen Muskeln, da sie in der embryologischen Entwicklung von einem anderen Ort eingewandert sind. Der Übersicht und des Verständnisses halber werden die Muskeln dieser Gruppe meist nach ihrer Funktion oder Lage genannt, beziehungsweise einzeln namentlich erwähnt. Konkret gehören dazu:
- die Rotatorenmanschette
- die Rhomboidmuskeln
- der Schulterblatthebermuskel
- der breite Rückenmuskel
- der große Rundmuskel
- der Trapezmuskel
Rotatorenmanschette
Die Rotatorenmanschette umfasst eine Gruppe von vier Muskeln, die jeweils von verschiedenen Stellen des Schulterblattes zum oberen Rand des Oberarmknochens ziehen. An der Rückseite des Schulterblattes liegen der Obergrätenmuskel (Musculus supraspinatus), der Untergrätenmuskel (Musculus infraspinatus) und der kleine runde Muskel (Musculus teres minor). Zwischen den Rippen und dem Schulterblatt liegt der Unterschulterblattmuskel (Musculus subscapularis).
Durch ihre unterschiedlichen Ansätze und Ursprünge sorgen sie für alle möglichen Bewegungen des Oberarms. Obwohl sie eingewandert sind, liegen sie in der Schulter am tiefsten. Ist die Sehne eines dieser Muskeln (meist die Sehne des Obergrätenmuskels) eingeklemmt, kommt es zum sogenannten schmerzvollen Impingement-Syndrom.
Rhomboidmuskeln
Als sogenannte Rauten- oder Rhomboidmuskeln (Musculus rhomboideus major et minor) werden die Muskeln bezeichnet, die schräg von der unteren Schulterblattspitze zu weiter oberhalb gelegenen Dornfortsätzen der Wirbelkörper ziehen, sodass sich eine Rautenform ergibt. Sie sorgen für Bewegung, aber auch Stabilität im Schulterblatt.
Schulterblatthebermuskel
Der Schulterblatthebermuskel (Musculus levator scapulae) zieht vom seitlichen Hals bis zum oberen Ende des Schulterblattes und stabilisiert, wie der Name bereits verrät, das Schulterblatt durch eine hebende Funktion im Rücken. Darüber hinaus neigt er den Hals zur Seite und ist oft von stressbedingten Verspannungen betroffen.
Breitester Muskel und großer runder Muskel
So heißen wörtlich übersetzt der Musculus latissimus dorsi (auch bekannt als breiter Rückenmuskel) und der Musculus teres major (großer Rundmuskel). Ersterer wird umgangssprachlich unter Medizinern auch als „Schürzenbindermuskel“ bezeichnet, da er für alle Bewegungen zuständig ist, die notwendig sind, um sich hinter dem Rücken eine Schürze zu binden: innere Rotation, äußere Rotation und Anhebung des Armes. Darüber hinaus wird er auch „Hustenmuskel“ genannt, da er eine wichtige Rolle beim Husten und Ausatmen allgemein spielt. Seinem anatomischen Namen macht er alle Ehre, da er in der breite, aber auch in der Höhe, einen sehr großen Teil des Rückens einnimmt. Er zieht vom Becken und den Dornfortsätzen der Lenden- und Brustwirbelsäule über die Rippen bis hin zum Oberarmknochen.
Der große runde Muskel, der vom unteren Schulterblattrand ebenfalls zum Oberarm zieht, hat – außer der Ausatmung – dieselben Funktionen wie der Muculus latissimus dorsi.
Trapezmuskel
Der Trapezmuskel oder Musculus trapezius dorsi ist der oberflächlich gelegenste Muskel des Rückens. Er entspringt ab dem oberen Nacken und den Dornfortsätzen aller Hals- und Brustwirbelkörper und zieht zur Schulterblattgräte, sodass sich eine Trapezform ergibt. Seine Aufgaben sind im Prinzip verschiedenste Bewegungen der Schulter und die Stabilisierung des Schulterblattes. Er ist zusammen mit dem vorderen Sägezahnmuskel der wichtigste Muskel für die Schulterblattbewegung.
Beschwerden der Rückenmuskulatur
Bei dieser Vielzahl unterschiedlicher Muskeln ist es kaum überraschend, dass mit der Rückenmuskulatur auch ein breites Spektrum möglicher Beschwerden verbunden ist. Dazu gehören beispielsweise vorübergehende Muskelverhärtungen und Verspannungen, aber auch länger andauernde Rückenschmerzen, etwa aufgrund von Fehlhaltungen, falscher Belastung oder mangelnder Bewegung.
Um Schmerzen im Bereich der Rückenmuskulatur vorzubeugen, sind regelmäßige Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur empfehlenswert. Ein Arzt oder Physiotherapeut kann individuell dazu beraten, welche Muskeln man verstärkt aufbauen sollte, um ein ausgewogenes Training von Bauch- und Rückenmuskeln sicherzustellen.
Auch ist es ratsam, vor dem Sport die Muskeln zu lockern und zu dehnen, um Verletzungen wie einem Muskelfaserriss vorzubeugen. Wer viel sitzt, sollte darauf achten, regelmäßig Bewegung in seinen Alltag zu integrieren und seine Rückenmuskulatur immer wieder zu entspannen.