Osteochondrose der Wirbelsäule: Symptome, Ursachen und Übungen
Hinter Rückenschmerzen können viele Ursachen stecken. Wird die Diagnose Osteochondrose der Wirbelsäule gestellt, bestehen bereits fortgeschrittene und irreversible Veränderungen. Aber was genau ist eine Osteochondrose, wie entsteht sie und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Was ist eine Osteochondrose der Wirbelsäule?
Bei der Osteochondrose handelt es sich um eine verschleißbedingte, fortschreitende Erkrankung von Knochen und Knorpeln im Bereich der Gelenke, die vor allem die Wirbelgelenke der Wirbelsäule betrifft. Der medizinische Begriff lautet Osteochondrosis intervertebralis.
Hintergrundwissen zur Wirbelsäule:
Die knöcherne Wirbelsäule besteht aus 24 Wirbeln, die sich wiederum aus Wirbelkörpern und -bögen zusammensetzen. Damit die Wirbel nicht aufeinander reiben, befinden sich zwischen ihnen Bandscheiben. Diese bestehen aus einer Hülle von Knorpelfasern und einem gelartigen Kern und fungieren als eine Art Stoßdämpfer: Sie polstern Druck und Stöße ab
Bei einer Osteochondrose der Wirbelsäule verlieren Bandscheiben an Volumen und können ihre Pufferfunktion nicht mehr erfüllen, wodurch einzelne Wirbel nicht mehr so gut gepolstert werden und mehr Druck auf ihnen lastet. Der Körper versucht die wachsende Druckbelastung auszugleichen, indem er knöcherne Auswüchse zwischen den Wirbeln (Spondylophyten) bildet. Wenn die Schädigungen der Bandscheiben und die Veränderung der Wirbelsäule zunehmen, entwickeln sich Rückenschmerzen und weitere Beschwerden.
Befindet sich die Erkrankung noch im Anfangsstadium, sprechen Fachleute von einer initialen Osteochondrose. Eine erosive Osteochondrose ist hingegen weiter fortgeschritten. Von einer aktivierten Osteochondrose ist die Rede, wenn der Verschleiß schmerzhafte Entzündungen hervorruft.
Formen der Osteochondrose der Wirbelsäule
Verknöcherungsvorgänge treten vor allem an der Wirbelsäule auf. Je nach betroffenem Abschnitt unterscheiden Fachleute:
- Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS)
- Osteochondrose der Halswirbelsäule (HWS)
- Osteochondrose der Brustwirbelsäule (BWS)
Weitere Formen der Osteochondrose
Allerdings gibt es auch andere Formen der Osteochondrose, wie die Osteochondrosis dissecans. Die Erkrankung, die mit Knorpel- und Knochenschäden einhergeht, betrifft insbesondere das Knie, das Sprunggelenk und den Ellenbogen und tritt überwiegend bei Personen auf, die in der Kindheit sportlich sehr aktiv waren.
Ebenso stehen bei der juvenilen Osteochondrosis, auch bekannt als Morbus Scheuermann, Veränderungen der Wirbelsäule im Vordergrund. Die Wachstumsstörung führt zu einer Wirbelsäulenverkrümmung sowie zur Bildung eines Rundrückens bei Jugendlichen (zwischen dem 11. und 17. Lebensjahr).
Zudem wird auch Morbus Perthes zu den Osteochondrosen gezählt. Bei der Kinderkrankheit, die überwiegend Jungen betrifft, kommt es zu einem Absterben des Hüftkopfes, weshalb betroffene Kinder zu hinken beginnen.
Welche Beschwerden treten bei einer Osteochondrose auf?
Eine Osteochondrose der Wirbelsäule bleibt lange unbemerkt. Symptome treten erst auf, wenn die Veränderungen der Wirbelsäule fortgeschritten sind. Typisch sind Schmerzen in verschiedenen Rückenbereichen:
Nacken und oberer Rücken: Bei einer Osteochondrose der HWS sind die Schmerzen vor allem im Nacken lokalisiert, können sich aber über die Arme bis in die Fingerspitzen ziehen. Auch Kopfschmerzen und Schwindel sind möglich.
Mittlerer Rücken: Bei einer Erkrankung der BWS kommt es überwiegend zu Beschwerden im oberen Rücken, die auf den Brustbereich ausstrahlen können.
Unterer Rücken: Ist die Lendenwirbelsäule betroffen, machen sich die Schmerzen vor allem im unteren Rücken, den Hüften oder Beinen bemerkbar.
Nicht selten versuchen Betroffene dem Schmerz mit einer Schonhaltung entgegenzuwirken, was meist jedoch zusätzliche Muskelverspannungen verursacht. Zudem ist die Erkrankung durch eine zunehmende Bewegungseinschränkung gekennzeichnet: Oft lässt sich beispielsweise der Kopf nicht mehr richtig bewegen und es entsteht ein akuter Schiefhals.
Weitere Symptome bei einer Osteochondrose der Wirbelsäule
Durch knöcherne Auswüchse der Wirbelkörper kann zudem der Wirbelkanal eingeengt werden und zu einer Spinalkanalstenose führen. Werden Nerven eingeklemmt, kann es zu weiteren Symptomen kommen:
- Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen
- Kribbelgefühl in Händen
- Kurzzeitige Lähmungserscheinungen
Ursachen und Risikofaktoren: Wie entsteht eine Osteochondrose?
Ein gewisser Verschleiß der Bandscheiben ist Teil des natürlichen Alterungsprozesses. Etwa 90 Prozent aller Menschen über 60 Jahre sind von Verschleißerscheinungen betroffen. Allerdings gibt es einige Risikofaktoren, die einen Verschleiß verstärken können. Dazu gehören:
- Starke körperliche Belastung im Beruf (zum Beispiel schweres Heben oder Tragen)
- Körperliche Voraussetzungen (z.B. genetische Faktoren)
- Übergewicht
- Fehlstellungen der Wirbelsäule (zum Beispiel Skoliose)
- Entzündliche Prozesse an den Bandscheiben
- Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
- Rheumatische Erkrankungen
- Vorausgegangener Bandscheibenvorfall
- Frühere Wirbelbrüche
Der Stoffwechsel der Bandscheiben ist auf eine ständige Be- und Entlastung angewiesen. Durch Bewegungsmangel, Fehlbelastungen der Wirbelsäule oder starkem Druck (beispielsweise bei Übergewicht) verlieren die Bandscheiben an Elastizität und werden vermehrt zusammengepresst. Dadurch können sie nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen vom umliegenden Gewebe versorgt werden und degenerieren, was schließlich den Verknöcherungsprozess zur Folge hat.
Diagnose: Wie wird eine Osteochondrose festgestellt?
Erste Anhaltspunkte bietet Fachleuten die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie eine körperliche Untersuchung. Eindeutig diagnostizieren lässt sich eine Osteochondrose der Wirbelsäule allerdings nur mithilfe bildgebender Verfahren. Dazu gehören:
Röntgenaufnahme: Der Höhenverlust der Bandscheiben lässt sich erkennen. Zudem können knöcherne Fortsätze (Spondylophyten) an den Knochen der Wirbelkörper sichtbar werden.
Magnetresonanztomografie (MRT): Die Untersuchung ist aufgrund der Darstellung der Weichteile besonders wichtig bei der Diagnose von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen.
Computertomografie (CT): Das Verfahren kommt gelegentlich zusätzlich zum Einsatz, weil es die knöchernen Strukturen klar darstellt und für die Planung einer späteren Operation wichtig sein kann.
In einigen Fällen kommen zudem neurologische Untersuchungen (zum Beispiel Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit, Elektromyografie) zur Anwendung.
Behandlung der Osteochondrose
Die Therapie bei einer Osteochondrose richtet sich nach verschiedenen Kriterien, etwa dem Schweregrad der Erkrankung, den Symptomen und dem allgemeinen Gesundheitszustand von Betroffenen. Ziel ist die Linderung von Schmerzen und die Verbesserung der Beweglichkeit. Um das zu erreichen, setzt sich die Therapie meist aus mehreren Bausteinen zusammen:
- Medikamente
- Physiotherapie
- Operationen
Medikamentöse Therapie
Bei einer Osteochondrose kann es immer wieder zu schmerzhaften Episoden kommen. Zur akuten Schmerzlinderung werden Schmerzmittel (Analgetika) sowie entzündungshemmende oder muskelentspannende Medikamente verschrieben. Die Wirkstoffe können auch lokal in die betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule mittels Spritze verabreicht werden. Nach Abklingen der Schmerzen sollen die Schmerzmittel wieder langsam reduziert werden.
Physiotherapie und körperliches Training
Begleitend zur medikamentösen Therapie empfiehlt sich eine physiotherapeutische Behandlung, um Schmerzen zu lindern und die Wirbelsäule zu unterstützen. Diese umfasst unter anderem:
- Wärmebehandlungen (Fango- oder Moorpackungen)
- Krankengymnastik
- Elektrotherapie
- Massagen
Auch Sport ist bei einer Osteochondrose wichtig, um die Muskulatur zu stärken und die Bandscheiben elastisch zu halten. Rückenschonende Sportarten sind beispielsweise Schwimmen oder Nordic Walking. Mithilfe einer Rückenschule können zudem Rücken- und Bauchmuskulatur gestärkt und Fehlhaltungen abgebaut werden. Dabei ist es wichtig, die erlernten Übungen zu Hause weiterzuführen.
Übungen bei Osteochondrose für Zuhause
Bei der Physiotherapie lernen Patient*innen individuelle Übungen zur Kräftigung der Wirbelsäule, die regelmäßig zuhause durchgeführt werden sollten. Welche Übungen für Sie geeignet sind, sollten Sie vorher mit den Therapeut*innen absprechen. Beliebte Übungen sind beispielsweise:
1. Übung für die HWS:
- Ausgangsposition ist gerader Sitz auf einem Stuhl.
- Kinn leicht Richtung Hals ziehen.
- Rechtes Ohr langsam in Richtung Schulter bringen.
- Auf der anderen Seite wiederholen.
2. Übung für die ganze Wirbelsäule:
- Ausgangsposition ist ein aufrechter Stand.
- Hände ab den unteren Teil des Gesäßes legen und Leiste nach vorne schieben, die Wirbelsäule ganz langsam nach hinten ziehen.
- Schultern öffnen, Brust nach oben ziehen und das Kinn sanft heben.
- Von den Hüften bis zur Halswirbelsäule entsteht ein leichter Bogen.
- In dieser Position kurz verharren und beim Ausatmen langsam wieder in die Ausgangsposition zurückbewegen.
Operative Behandlung
Kann mithilfe konservativer Maßnahmen kein schmerzfreies Leben erreicht werden, kommen als letzte Möglichkeit chirurgische Eingriffe in Betracht. Je nach Ausmaß der Verschleißerscheinungen stehen verschiedene Operationsmöglichkeiten zur Verfügung:
Minimalinvasive Diskografie und Behandlung mit Mikrolaser: Schmerzsensible Nervenfasern werden ausgeschaltet.
Verstärkung mit Hydrogelsticks: Hydrogelsticks werden in den Bandscheibenkern eingebracht. Dadurch kann ihr Volumen vergrößert und die Bandscheibe entlastet werden.
Bandscheibenprothese: Moderne Bandscheibenprothesen sind – analog zur biologischen Bandscheibe – beweglich. Durch den Einsatz lässt sich die Beweglichkeit der Wirbelsäule verbessern.
Bandscheibenzelltransplantation: Bei dem neuen Behandlungsansatz werden Zellen aus dem Gewebe der Bandscheibe entnommen und in einem Labor gezüchtet. Zu einem späteren Zeitpunkt werden sie wieder in die betroffene Bandscheibe transplantiert und neues Bandscheibengewebe kann sich bilden.
Verlauf einer Osteochondrose der Wirbelsäule
Eine Osteochondrose verläuft langsam. Da erste Veränderungen oft noch keine Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen verursachen, wird die Diagnose meist erst spät gestellt. Um die Degeneration aufzuhalten beziehungsweise zu verzögern, ist eine physiotherapeutische Behandlung essenziell. Zudem erfordert die Therapie ein aktives Mitwirken der Betroffenen. Vorhandenes Übergewicht sollte reduziert werden und auch regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig.
Im Falle einer Operation kann anschließend eine Reha notwendig sein, damit sich die geschädigten Knorpel regenerieren und Muskeln im betroffenen Bereich gezielt gestärkt werden können.
Kann man einer Osteochondrose vorbeugen?
Grundsätzlich sind Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule normal und mit dem Älterwerden unvermeidbar. Allerdings können gängige Risikofaktoren reduziert werden. Wichtig sind hierfür vor allem:
- Gesundes Körpergewicht
- Regelmäßige rückenstärkende Übungen und Sportarten (wie beispielsweise Schwimmen)
- Richtige Haltung und schonendes Heben schwerer Lasten
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Osteochondrose der Wirbelsäule
Bei Osteochondrosis intervertebralis handelt es sich um eine verschleißbedingte Erkrankung. Veränderungen von Bandscheiben und Wirbelgelenken lassen sich nicht rückgängig machen. Allerdings kann mithilfe einer geeigneten Behandlung Schmerzfreiheit erreicht und die Lebensqualität verbessert werden.
Osteochondrose ist zunächst ein normaler Alterungsprozess der Wirbelsäule. Oftmals haben Betroffene lange Zeit keine Beschwerden. Treten Rückenschmerzen auf, sollten diese ärztlich behandelt werden.
Erste Anlaufstelle bei Rückenschmerzen ist die hausärztliche Praxis. Bei Verdacht auf eine Osteochondrose werden Patient*innen meist an eine orthopädische Praxis überwiesen und erhalten dort ein Rezept für Physiotherapie.
In schweren Fällen kann die Erkrankung zur Berufsunfähigkeit führen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Betroffene aufgrund chronischer Rückenschmerzen den zuvor ausgeübten Beruf zu mehr als 50 Prozent dauerhaft nicht mehr ausüben können.
Eine Osteochondrose kann die Lebensqualität von Betroffenen stark einschränken, die Lebenserwartung wird dadurch allerdings nicht gemindert.