Morbus Scheuermann: Wenn die Wirbelsäule verkrümmt
Morbus Scheuermann geht mit einer Krümmung der Wirbelsäule einher, verursacht aber erst im Alter Beschwerden. Übungen können Spätfolgen verhindern.
Morbus Scheuermann ist eine Krankheit, die durch eine Verkrümmung der Wirbelsäule gekennzeichnet ist und erstmalig im Jugendalter auftritt. In der Regel geht die Erkrankung zunächst nicht mit Schmerzen einher, jedoch kann es zu Spätfolgen kommen, die Rückenschmerzen und andere Beschwerden verursachen können. Wie entsteht Morbus Scheuermann und welche Übungen sind zur Behandlung geeignet?
Was ist Morbus Scheuermann?
Morbus Scheuermann, auch als juvenile Kyphose (jugendliche Wirbelsäulenverkrümmung bezeichnet, ist eine Erkrankung der Wirbelsäule. Sie betrifft insbesondere Jugendliche im Alter von zehn bis dreizehn Jahren. Es handelt sich um eine sehr häufige Erkrankung von der bis zu 30 Prozent der Heranwachsenden betroffen sind.
Liegt die normale Wirbelsäulenverkrümmung (Kyphose) in einer sehr ausgeprägten Form vor, so wird sie als Hyperkyphose bezeichnet. Es können verschiedene Teile der Wirbelsäule betroffen sein. Eine Hyperkyphose im oberen Teil der Wirbelsäule (Brustwirbelsäule) wird auch als Rundrücken bezeichnet.
Welche Ursachen hat Morbus Scheuermann?
Die Ursachen für Morbus Scheuermann sind nicht zweifelsfrei geklärt. Neben einer erblichen Disposition (Veranlagung) werden auch Wachstumsstörungen als möglicher Auslöser diskutiert, da die Erkrankung vornehmlich während des Wachstums entsteht.
Einen erheblichen Einfluss haben darüber hinaus endogene, also körpereigene, Faktoren. So ist die körperliche Haltung – man spricht von der konstitutionellen Haltung – maßgeblich an der Entstehung des Morbus Scheuermann beteiligt.
Die Haltung von Kindern ist in vielen Fällen durch hängende Schultern und verkürzte Brustmuskeln (Musculi Pectorales) charakterisiert. Dies begünstigt die Entstehung einer vermehrten Brustkyphose, also einer Kyphose im Bereich der Brustwirbelsäule. Aufgrund dieser Fehlhaltung entsteht eine höhere Belastung der knorpeligen Ober- beziehungsweise Unterfläche der Wirbelkörper. Kommt zu dieser Druckbelastung eine genetische Veranlagung hinzu, ist die Folge ein keilförmiges Fehlwachstum der Wirbelkörper mit vermehrter Wirbelsäulenkrümmung.
Außerdem können Störungen im Kollagenstoffwechsel zu einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelkörper führen. Insbesondere Jugendliche mit hoher mechanischer Beanspruchung (zum Beispiel Leistungssportler) sind anfällig für die Entwicklung eines Morbus Scheuermann.
Die Folge der Scheuermann-Krankheit ist neben der Entstehung von Keilwirbelkörpern – also nach vorne flach zulaufender Wirbelkörper – der Einbruch von Bandscheibenmaterial in die Wirbelkörper. Diese Einbrüche sind charakteristisch für Morbus Scheuermann, bleiben lebenslang bestehen und werden als Smorl-Knötchen bezeichnet.
Symptome bei Morbus Scheuermann
Oft ist bereits mit bloßem Auge, ohne besondere Bildgebung, eine vermehrte Kyphosierung der Wirbelsäule in Form eines Rundrückens erkennbar. Am häufigsten ist dabei der sogenannte thorakale Teil der Wirbelsäule, das heißt auf Höhe des Brustkorbs, betroffen. Dabei haben die Betroffenen trotz starker Kyphose häufig keine Schmerzen.
Etwa ein Fünftel aller Betroffenen klagt allerdings schon im Jugendalter über Rückenschmerzen. Eltern sollten diese immer als Warnzeichen begreifen und die Ursache abklären lassen, auch wenn die Beschwerden nur leicht ausgeprägt sind. Denn Morbus Scheuermann bleibt aufgrund der schleichenden Entwicklung häufig über lange Zeit unerkannt.
Auch ein krummer Rücken kann ein erstes Warnzeichen sein und sollte bei Kindern und Jugendlichen nie ignoriert werden, sondern so früh wie möglich untersucht werden. Auch dann, wenn die Verkrümmung zunächst noch keine Beschwerden verursacht. Denn die Möglichkeiten in der Therapie werden geringer, sobald das Wachstum mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen ist.
Meist entwickeln sich aber erst im späteren Verlauf des Morbus Scheuermann aufgrund von Folgeschäden Rückenschmerzen. Die Spätsymptome, zu denen vor allem Muskel-, Bänder- und Gelenkbeschwerden aufgrund von Überlastungen sowie Bandscheibendegenerationen mit Bandscheibenvorfällen zählen, beginnen – je nach Ausprägung – etwa ab dem 30. Lebensjahr. Diese Beschwerden treten insbesondere an den nicht betroffenen Teilen der Wirbelsäule auf, da diese zum Ausgleich der übermäßigen Krümmung nach hinten eine Hyperlordose, also eine verstärkte Krümmung der Wirbelsäule nach vorne, aufweisen.
Die Schmerzen strahlen in manchen Fällen in die Gliedmaßen aus und provozieren dann weitere Schmerzen, etwa aufgrund von Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich. Oft haben die Betroffenen die Schmerzen bei bestimmten Bewegungen, sehr häufig etwa beim Versuch, den Oberkörper zu drehen. Durch Druck auf bestimmte Nervenbahnen können zudem neurologische Symptome wie Missempfindungen entstehen.
Ist die Wirbelsäule im fortgeschrittenen Krankheitsstadium stark deformiert, verstärken sich die Funktionsstörungen des Bewegungsapparates. Daraus resultiert oft eine stark verkrümmte Körperhaltung, die Atembeschwerden auslösen kann.
Ist die Lendenwirbelsäule (LWS) betroffen, treten häufig auch schon zu Beginn der Erkrankung Beschwerden in Form von Schmerzen auf. Der untere Rücken erscheint dann flacher als gewöhnlich, da die normale Lordose, also die gesunde Krümmung nach vorne, aufgehoben wird. Das Phänomen wird als Flachrücken bezeichnet.
Wie wird die Diagnose Morbus Scheuermann gestellt?
Die meisten Betroffenen fallen durch eine schlechte Haltung mit rundem Rücken auf. Schmerzen treten in den meisten Fällen zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf.
Das Ausmaß der Fehlhaltung wird mittels einer seitlichen Röntgenaufnahme nach Cobb – einer speziellen Form der Winkelbestimmung – festgestellt. Eine möglicherweise begleitend vorliegende Skoliose (Verkrümmung der Wirbelsäule nach rechts oder links) kann mithilfe eines konventionellen a.-p. Röntgenbildes (Röntgenbild von vorne) diagnostiziert werden.
In der Frühphase der Erkrankung kann das Röntgenbild auch unauffällig sein und die Diagnose erschweren. Hier kann eine Magnetresonanztomografie (MRT) helfen, da dabei bereits Veränderungen an den Wirbelkörpern sichtbar sind.
Therapie: Was tun bei Morbus Scheuermann?
Um schwerwiegende Folgeschäden eines Morbus Scheuermann zu verhindern, ist vor allem eine Haltungsverbesserung bei der Therapie ratsam. Insbesondere infrage kommen dabei:
- Haltungsturnen
- Gezielte Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur
- Aufrechtes Sitzen mithilfe von geeigneten Sitzmöbeln
- Physiotherapie und Krankengymnastik
Insgesamt sollte das Kind ermutigt werden, sich sportlich zu betätigen und einen aktiven Alltag zu pflegen. Gleichzeitig sollten extreme Belastungen wie Leistungssport vermieden werden.
Übungen gegen Morbus Scheuermann
Diese Übungen können bei Morbus Scheuermann helfen:
- Behandeln der betroffenen Bereiche mit der Faszienrolle: Die Faszienrolle wird auf den Boden gelegt und der Betroffene legt sich mit dem oberen Rücken auf die Rolle, die Beine stehen angewinkelt auf dem Boden. Nun rollt der Erkrankte langsam und vorsichtig auf der Rolle nach oben (nicht bis zum Nacken) und nach unten (bis knapp unter die Rippen).
- Dehnung der Brust- und Rückenmuskulatur: Der Betroffene stellt sich mit dem Gesicht zur Ecke eines Raumes, die Füße leicht versetzt voreinander. Nun werden die Hände oberhalb des Kopfes flach an die rechte und linke Wand angelegt, die Fingerspitzen zeigen nach oben. Die Ellenbogen sind leicht gebeugt und die Oberarme sollten in etwa parallel zum Boden sein. Nun wird die Brust nach vorne geschoben, bis ein Ziehen in der Brustmuskulatur zu verspüren ist. Die Spannung wird kurz gehalten.
Die Übungen sollten täglich oder alle zwei Tage für wenige Minuten durchgeführt werden. Physiotherapie ist unbedingt sinnvoll, um individuell passende Übungen kennenzulernen.
Weitere Maßnahmen zur Behandlung der Scheuermann-Krankheit
Es gibt auch psychologische Ansätze, um die Haltung von Kindern zu verbessern. Ein gestärktes Selbstvertrauen kann zu einer besseren Haltung beitragen und der Erkrankung vorbeugen.
Die medikamentöse Therapie spielt bei Morbus Scheuermann eher eine untergeordnete Rolle. Bei Schmerzen können gängige Schmerzmittel mit Diclofenac oder Ibuprofen eingesetzt werden. Bereiten Verkrampfungen der Muskulatur Probleme, können Muskelrelaxantien Anwendung finden.
Wie behandelt man schwere Formen von Morbus Scheuermann?
Bei schweren Verkrümmungen kommen während der Wachstumsphase Korrekturmaßnahmen zum Einsatz. Die Schwere der Kyphose wird mithilfe des Röntgenbildes festgelegt. Dazu wird der sogenannte Cobb-Winkel gemessen. Er ist ein Maß für die Stärke der Krümmung und wird in einer Gradzahl angegeben. Ab einem Winkel von 50° spricht man von einer schweren Kyphose.
Die Behandlung einer solchen massiven Fehlstellung erfolgt mittels eines Korsetts. So sollen das Fortschreiten der Erkrankung verhindert und im besten Fall eine „Entkyphosierung“ und das Aufrichtung der Wirbelsäule erreicht werden. Das Korsett muss im ersten Jahr für 23 Stunden am Tag getragen werden, danach nur noch nachts.
Wann ist eine OP erforderlich?
Eine operative Behandlung ist bei Morbus Scheuermann nur selten notwendig. Nur sehr schwere Formen der Verkrümmung (Cobb-Winkel größer als 70°) oder schwere Kyphosen im Bereich der Lendenwirbelsäule bedürfen einer operativen Therapie.
Die operative Therapie ist einfacher, wenn sie frühzeitig durchgeführt wird, da die Wirbelsäule dann noch über Wachstumsreserven verfügt. Die Wirbelkörper werden operativ von hinten fixiert, sodass die Wirbelkörper vorne mehr Platz zum Wachsen haben. Die Folge ist, dass die Keilwirbelkörper durch ventrales Wachstum ausgeglichen werden und die Kyphose vermindert wird.
Schwieriger gestaltet sich die operative Therapie, wenn die Wirbelsäule bereits ausgewachsen ist. In diesem Fall müssen zuerst die Bandscheiben entfernt werden und die Wirbelkörper in einem zweiten Eingriff von hinten fixiert werden. Die Bandscheibenzwischenräume werden anschließend durch Knochenmaterial aufgefüllt.
Die Erfolge der Therapie sind insgesamt gut und schwerwiegende Spätfolgen lassen sich reduzieren. Toombs C. et al. konnten zudem in einer Studie nachweisen, dass die operative Therapie von Erwachsenen mit Morbus Scheuermann sehr gute Ergebnisse in Hinblick auf Selbstwahrnehmung und Lebensqualität liefert.
Verlauf und Prognose bei Morbus Scheuermann
Der Verlauf der Erkrankung ist erheblich von der Ausprägung sowie von Zeitpunkt und Wirksamkeit der ergriffenen Gegenmaßnahmen abhängig. Wird eine Haltungsschwäche frühzeitig erkannt, kann sich die Wirbelsäule bei entsprechender Therapie erholen. Besteht allerdings über die Wachstumsphase hinaus eine dauerhafte Hyperkyphosierung, kann es zu schmerzhaften Komplikationen und Spätfolgen wie Bandscheibendegenerationen und Muskelverspannungen kommen.
Engmaschige Kontrollen mit Röntgenaufnahmen sind wichtig, um ein Fortschreiten der Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und behandeln zu können.
Insgesamt ist die Prognose jedoch günstig, da die Erkrankung nach der Wachstumsphase nicht weiter voranschreitet. Schwere Verlaufsformen mit massiven Einschränkungen der Lebensqualität sind selten.
Wie kann man einem Morbus Scheuermann vorbeugen?
Genetische Faktoren und Stoffwechselstörungen lassen sich nicht beeinflussen. Aber auch Haltungsfehler können für die Entstehung der Wirbelsäulenerkrankung verantwortlich sein. Diese zu beseitigen ist die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung von Morbus Scheuermann. Ist bei einem Kind eine schlechte Haltung sichtbar, finden Sie geeignete Maßnahmen um diesen entgegenzuwirken im Abschnitt zu Therapie.
Kinder sollten frühzeitig an eine gute Haltung gewöhnt werden. Regelmäßiger Sport, aufrechtes Sitzen und die Kräftigung von Bauch-, Rücken-, Brust- und Schultermuskulatur sowie ein normales Körpergewicht können sich günstig auswirken und helfen, der Entstehung von Morbus Scheuermann vorzubeugen.