Computersimulation einer Bandsscheibe
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Vorbeugung besonders wichtig

Bandscheibenvorfall: Was ist ein Prolaps und was tun?

Von: Dagmar Schüller (Medizinredakteurin und Ernährungswissenschaftlerin), Sarah Baumann (Medizinredakteurin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 04.03.2020

Zu wenig Bewegung oder zu viel körperliche Belastung: Beides kann der Wirbelsäule zu schaffen machen. Die Folge kann ein Bandscheibenvorfall sein. Häufig lassen sich die Beschwerden eines Prolaps mit einfachen Mitteln lindern.

Starke körperliche Belastung, stundenlanges Sitzen am Schreibtisch, zu wenig Bewegung: All das sind Risikofaktoren für einen Bandscheibenvorfall. Von einem Bandscheibenprolaps sprechen Mediziner, wenn der Gallertkern der Bandscheibe seine Hülle durchbricht und aus seiner Position verrutscht. In der Folge drückt die ausgedehnte Bandscheibe auf umliegende Nerven, Betroffene merken dies meist durch plötzliche, starke Schmerzen.

Ursachen des Bandscheibenvorfalls sind vielfältig

Rückenschmerzen sind ein Volksleiden geworden und inzwischen einer der häufigsten Gründe für den Besuch beim Hausarzt. Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind der häufigste Grund für eine Arbeitsunfähigkeit. Wer unter Rückenschmerzen leidet, hat ein deutlich erhöhtes Risiko für einen späteren Bandscheibenschaden. Etwa 3,5 Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer in Deutschland erleiden einmal im Leben einen Bandscheibenvorfall. Die Zahl der Operationen an den Bandscheiben hat zwischen 2006 und 2014 um 12,2 Prozent zugenommen.

Das Alter spielt eine entscheidene Rolle

Fast jeder Bundesbürger hat laut Statistik einmal in seinem Leben Rückenprobleme, mitunter steckt hinter den Rückenbeschwerden ein ernster Bandscheibenvorfall. Besonders betroffen von einem Prolaps sind Menschen zwischen 30 und 50 Jahren: Bei ihnen verfügen die Bandscheiben über mehr Gallertmasse, sodass sie sich unter Belastung oder bei einer ungünstigen Bewegung leichter ausdehnen kann. Mit dem Alter verlieren die Bandscheiben an Wasser und werden kleiner. Daher wölben sie sich nicht so leicht vor.

Ursachen für einen Bandscheibenvorfall:

  • zunehmendes Alter
  • schwach ausgeprägte Rumpfmuskulatur
  • Übergewicht und Adipositas
  • ruckartige Bewegungen
  • Unfälle

Wie sind die Symptome bei Bandscheibenvorfall?

Viele Menschen verbinden einen Bandscheibenvorfall mit starken Rückenschmerzen. Doch oftmals verläuft ein Prolaps ohne Symptome, erst später wird der Bandscheibenschaden durch Zufall diagnositziert.

Symptome eines Bandscheibenvorfalls:

  • Rückenschmerzen
  • Taubheitsgefühle
  • Hexenschuss (Lumbago)
  • Kribbeln und Lähmungen
  • Schwindel
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Gestörte Kontrolle von Stuhlgang und Harnabgang

Außerdem kommt es darauf an, welcher Teil der Wirbelsäule betroffen ist:

  • Symptome der Halswirbelsäule (HWS): Schmerzen strahlen in Kopf, Nacken, Schultern oder Arme

  • Symptome der Lendenwirbelsäule (LWS): Schmerzen strahlen in Beine und Füße. Bei besonders starkem Druck kann es außerdem zu Funktionsstörungen wie Lähmungen, Verlust von Reflexen und gestörte Harn- und Stuhlkontrolle kommen.

  • Symptome des Cauda-Syndroms: Gefühlsstörungen im Genital- und Analbereich mit Störungen der Harn- und Stuhlkontrolle sowie zwischen den Oberschenkeln

Bandscheibenvorfall: So läuft die Diagnose ab

"Doch nicht jeder Rückenschmerz bedeutet gleich einen Bandscheibenvorfall", sagt Hans-Peter Köhler, Chefarzt der Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie am Asklepios Westklinikum Hamburg. Für eine genaue Diagnose führt der Arzt zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Mögliche Fragen des Arztes sind unter anderem:

  • Wo sind die Schmerzen?
  • Geht der Schmerz übers Knie hinaus bis zur Großzehe?
  • Besteht im Fuß ein Taubheitsgefühl?

"Aus der Schilderung lässt sich dann schon meist erkennen, wo das Problem ist", sagt Köhler. Dem Anamnesegespräch schließt sich eine gezielte Untersuchung des potenziellen Bandscheibenvorfalls an. Verschiedene Gehversuche, die Haltung des Patienten und Lähmungserscheinungen geben weiteren Aufschluss. Auch die Überprüfung von Reflexen, der Beweglichkeit der Wirbelsäule und neurologische Untersuchungen sind wichtiger Bestandteil der Diagnose eines Bandscheibenvorfalls.

Zur weiterführenden Diagnostik gehören bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Mit einer CT kann der Arzt die knöchernen Anteile der Wirbelsäule beurteilen, mit einer MRT kann er Bandscheiben und Nervengewebe ansehen.

Hausmittel und Selbsttherapie bei Bandscheibenvorfällen

Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls beginnt in den meisten Fällen mit einer einfachen Schmerztherapie.

Dazu zählen:

Entkrampfend und schmerzlindern kann auch die sogenannte Stufenlagerung sein: Dazu sollten sich Betroffene mit dem Rücken flach auf den Boden legen. Die Beine werden im rechten Winkel auf einem Hocker oder dem Sofa gelagert.

Nach etwa zwei bis drei Wochen bessern sich bei rund 80 Prozent der Betroffenen die Beschwerden, denn der menschliche Körper hat sehr starke Regenerationskräfte. Deswegen sollten zunächst alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten bei einem Bandscheibenvorfall ausgeschöpft werden. Erst wenn diese nicht greifen beziehungsweise die Beschwerden nicht langfristig lindern, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Deshalb ist ein Bandscheibenvorfall erste einmal kein Grund zur Panik. Viele Menschen haben sogar ein solches Rückenproblem, ohne es zu wissen, weil sie durch den Bandscheibenvorfall keine Beschwerden haben.

Anders ist es, wenn der Bandscheibenvorfall neurologische Ausfälle verursacht. Dann sollten Betroffene möglichst schnell einen Arzt aufsuchen

Wann ist eine Operation notwendig?

Wenn jedoch alle konservativen Therapiemaßnahmen nicht weiterhelfen, kommt für Patienten mit Bandscheibenvorfall in den meisten Fällen eine mikrochirurgische Operation infrage. "Man macht einen ungefähr zwei Zentimeter langen Schnitt über der Wirbelsäule und geht dann – je nachdem, wo der Vorfall ist – am Nervenkanal vorbei in die Tiefe", erklärt Köhler.

"Dabei wird ein Operations-Mikroskop eingesetzt, mit dessen Hilfe der Neurochirurg alles sehr genau sehen und millimetergenau arbeiten kann." Bei der Operation wird das herausgerutschte Bandscheibengewebe entfernt, um die Nerven vom Druck zu entlasten. Neben dieser offenen Methode kommt nach Köhlers Angaben erfahrungsgemäß bei 15 Prozent der Patienten auch eine endoskopische Operation in Betracht. Die Ergebnisse nach einer Bandscheibenoperation seien in mehr als 90 Prozent gut bis sehr gut.

Die Hälfte der Bandscheiben-Operationen ist überflüssig

"Nach wie vor wird viel operiert", sagt der Orthopäde Martin Marianowicz, Vorsitzender der deutschen Sektion des World Institute of Pain in den USA. Er kritisiert das: "Mindestens 50 Prozent aller Operationen sind überflüssig." Dabei habe die Zahl der operativen Eingriffe in den vergangenen Jahren noch um 400 Prozent zugenommen. Grund sei offenbar, dass nur mit Operationen Geld zu verdienen sei, während die konservative und kostengünstigere Behandlung des Bandscheibenvorfalls mitunter nicht einmal von den Krankenkassen bezahlt werde.

Auch gebe es ein Ausbildungsproblem bei den Ärzten. Denn in einer Disziplin, bei der es zu 80 Prozent konservativ behandelbare Patienten gebe, stehe die chirurgische Ausbildung noch immer im Vordergrund. Darüber hinaus führe die sonst segensreiche Möglichkeit der Kernspintomographie bei Bandscheibenvorfällen häufig zu vorschnellen Diagnosen und Übertherapie in Form von teilweise vermeidbaren Operationen.

Vorbeugung bei Bandscheibenvorfall besonders wichtig

In einem sind sich Rückenschmerz-Experten einig: Die beste "Therapie" eines Bandscheibenvorfalls bleibt die Vorbeugung. Auch, wenn altersbedingte Abnutzungserscheinungen der Bandscheiben kaum zu verhindern sind. Für die Rückengesundheit kann dennoch jeder Einzelne rund um die Uhr etwas tun. "Das umfasst zu Hause die Küche, den Fernsehsessel oder die Matratze und das Bett", weiß der Experte. Am Arbeitsplatz sollten Stühle, Tische, Tastatur und Zubehör ergonomische Vorgaben berücksichtigen. In der Freizeit spielen rückengerechte Schuhe oder Fahrräder eine Rolle. Und wer viel mit dem Auto unterwegs ist, sollte sich auch hier über eine rückengesunde Haltung und Ausstattung Gedanken machen.